Susanne Hofer: „Ich bin mit ganzem Herzen dabei“
Was die Pläne der ÖGJ-Vorsitzenden zu Fachkräfteausbildung, Wohnen und Klimaschutz sind, und warum sie sich engagiert.
oegb.at:Was bedeutet es für dich, Vorsitzende der größten politischen Jugendorganisation Österreichs zu sein?
Susanne Hofer: Das ist schon sehr aufregend. Ich darf quasi das Sprachrohr für 140.000 Mitglieder unter 30 Jahren sein. Das ist natürlich auch eine große Verantwortung, der ich mich aber gerne stelle.
Du bist die erste Frau an der Spitze der ÖGJ. War das nicht schon längst überfällig?
Es war schon sehr lange an der Zeit für eine Vorsitzende. Aber die ÖGJ ist ein großes Schiff, das man nur gemeinsam lenken kann. Wir sind ein super Team, wir haben Power und werden viel für die jungen Arbeitnehmerinnen erreichen. Ich bin mit ganzem Herzen dabei.
Was kannst du besser als deine männlichen Vorgänger?
Ich glaube, das hat gar nicht so viel mit dem Geschlecht zu tun, sondern damit, wo ich herkomme, nämlich aus dem Sozialbereich. Meine Vorgänger kommen aus der Metallbranche oder der Industrie und haben technische Berufe gelernt. Dort macht man andere Lebenserfahrungen als im Sozialbereich. Das heißt nicht, dass das besser oder schlechter ist, aber man hat einen anderen Fokus.
Du selbst kommst ja nicht aus dem Lehrlingsbereich, sondern hast eine Berufsbildende Schule besucht und die Matura gemacht. Wie bist du zur Gewerkschaftsjugend gekommen?
Ich habe mich bereits in meiner Schulzeit bei der SchülerInnenvertretung engagiert und war Schulsprecherin, weil mir Gerechtigkeit immer schon sehr wichtig war. Ich habe damals einen Workshop über die Rechte und Pflichten im Ferienjob mit der Gewerkschaft organisiert und kam so in Kontakt mit der Gewerkschaftsjugend in der Steiermark. Ich habe gemerkt, dass man bei der ÖGJ wirklich etwas umsetzen kann und sich für Lehrlinge und junge ArbeitnehmerInnen stark macht. Das hat mich beeindruckt und ich bin geblieben. (lacht)
Was braucht es in puncto Fachkräfteausbildung?
Die Herausforderungen für die Arbeitswelt der Zukunft sind groß. Wer den Fachkräftemangel beseitigen will, kann nicht nur Fachkräfte aus dem Ausland holen. Die heimischen UnternehmerInnen müssen endlich wieder verstärkt selbst Lehrlinge ausbilden. Das haben sie die letzten 20 Jahre vernachlässigt und dadurch den Fachkräftemangel noch verschlimmert. Unsere Jugendlichen haben viele Talente und viel Potential. Zeigen wir ihnen, dass sie die Top-Fachkräfte von morgen sind!
Sollen AsylwerberInnen eine Lehre machen dürfen? und danach auch bleiben dürfen?
Jeder Mensch, der in Österreich lebt, soll die Möglichkeit haben, sich eine Zukunft aufbauen zu können - und damit auch das Wissen und Können, mit dem er später etwas anfangen kann. Wir haben in Österreich die Ressourcen dafür. Und viele Arbeitgeber würden sich wünschen, genau diese motivierten, jungen Menschen, die etwas lernen wollen, aufzunehmen und sie auch nach Abschluss der Lehre behalten zu können.
Sollen Sie danach auch in Österreich bleiben dürfen?
In der Regel sind genau diese Lehrlinge voll integriert und tragen viel zu unserem System bei. Deshalb sollen AsylwerberInnen nach ihrer Lehre die volle Arbeitserlaubnis bekommen. Jungen Menschen, die versuchen, sich hier ein Zuhause und eine Zukunft aufzubauen, das alles wieder zu nehmen, ist einfach unmenschlich.
ÖGJ-Vorsitzende Susanne Hofer und ihr Team beim Bundeskongress der Gewerkschaftsjugend unter dem Motto "Wir sind die Guten! Laut. Mutig. Solidarisch." (Foto @Mila Zytka)
Die ÖGJ fordert auch eine Fachkräftemilliarde. Worum geht es dabei?
Nicht alle Unternehmen, die ausbilden könnten, bilden auch aus. Die ÖGJ hat mit der „Fachkräftemilliarde“ ein Modell entwickelt, wonach alle Unternehmen ein Prozent der Bruttolohnsumme einzahlen sollen. Diejenigen, die ausbilden, sollen daraus gefördert werden, die, die nicht ausbilden, würden sich so zumindest an der Finanzierung beteiligen. Aus den zur Verfügung stehenden Mitteln könnte dann neben der Lehrstellenförderung, auch die überbetriebliche Lehrausbildung sowie die Weiterqualifizierung von ArbeitnehmerInnen finanziert werden. Das wäre die Chance auf eine echte Qualitätsförderung. Eine qualitativ hochwertige Fachkräfteausbildung braucht außerdem einen Rechtsanspruch auf Lehre mit Matura während der Arbeitszeit sowie eine kostenlose Meisterprüfung.
Was will die ÖGJ sonst noch?
Puh, das ist recht viel. Im Grunde wollen wir ein gutes Leben für alle – weniger ist für uns nicht drin! Zwei wesentliche Themen, die uns neben der Ausbildung beschäftigen, sind „Wohnen“ und „Klimaschutz“. Gerade für in Ausbildung stehende und junge ArbeitnehmerInnen ist es sehr schwer, eine eigene Existenz aufzubauen. Die Mieten sind in den vergangenen Jahren exorbitant gestiegen und Wohnungen werden zunehmend zu Spekulationsobjekten. Mietobergrenzen und der Neubau geförderter Wohnungen wären richtige Schritte zur Linderung dieses Problems. Wir fordern daher auch eine Wiedereinführung der Zweckbindung der Wohnbauförderung oder die Einführung einer Mietobergrenze.
Und beim Klimaschutz?
Klimaschutz muss bei uns allen an oberster Stelle stehen, denn auf einem toten Planeten gibt es weder Leben noch Jobs. Ein klimabewusstes Leben muss man sich aber leisten können. Die Frage nach Klimaschutz und ökologischer Nachhaltigkeit ist daher auch eine Verteilungsfrage. Wir fordern den Ausbau des öffentlichen Verkehrs, ein österreichweites, kostenloses Jugendticket für alle in Ausbildung, Berufe mit Zukunft, Reduktion der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich und „Ökologie und Nachhaltigkeit“ als Unterrichtsfach in allen Schulen Österreichs.
Was bedeutet es für dich, Teil der Gewerkschaftsjugend zu sein?
In der ÖGJ zu sein ist ein Gefühl. Es heißt, zu einer Gruppe zu gehören, die so stark ist, dass sie nicht ignoriert werden kann. Ein Teil einer Gruppe zu sein, wo man füreinander da ist und Freundschaften geschlossen werden. Gewerkschafterin zu sein, ist aber auch eine große Verantwortung, denn die Jungen verlassen sich auf uns. Und wenn es darauf ankommt, seine Stimme zu erheben, dann tun wir das.
Berichtsfilm der ÖGJ: Gemeinsam hat die ÖGJ viel erreicht!
Zur Person Susanne Hofer
Susanne Hofer kommt aus der Gewerkschaft der Privatangestellten, Druck, Journalismus, Papier (GPA-djp), deren Jugendvorsitzende sie ist. Die bald 25-Jährige ist Betriebsrätin bei der Lebenshilfe und kommt aus dem Bereich der Behindertenbetreuung.